Sardinendosen-Skandal aufgedeckt: Was die winzigen Codes auf der Verpackung wirklich bedeuten

Wer beim Wocheneinkauf zu den günstig angebotenen Sardinendosen greift, ahnt selten, welches Verwirrspiel um die tatsächliche Herkunft der Fische dahintersteckt. Die scheinbar harmlosen Angaben auf der Verpackung entpuppen sich bei genauerem Hinsehen als regelrechtes Labyrinth aus mehrdeutigen Formulierungen, die selbst erfahrene Verbraucher in die Irre führen können.

Das Versteckspiel mit der Herkunft beginnt bereits auf der Vorderseite

Viele Verbraucher orientieren sich beim Kauf von Konserven an den prominent platzierten Informationen auf der Produktvorderseite. Doch gerade hier beginnt bereits die erste Täuschung: Die Angabe des Produktionsstandorts wird häufig mit der Herkunft der Rohware verwechselt. Ein „Hergestellt in Italien“ bedeutet keineswegs, dass die Sardinen auch aus italienischen Gewässern stammen.

Tatsächlich nutzen viele Hersteller diese bewusste Unschärfe zu ihrem Vorteil. Die Fische können durchaus aus weit entfernten Fanggebieten stammen und lediglich in europäischen Anlagen verarbeitet worden sein. Für den Verbraucher entsteht dadurch ein völlig falsches Bild von der tatsächlichen Produktqualität und den Transportwegen.

Fanggebiete: Wo die eigentliche Information versteckt wird

Die wirklich relevanten Informationen zur Herkunft finden sich meist in winziger Schrift auf der Rückseite oder am Dosenrand. Hier werden die FAO-Fanggebiete angegeben – eine Kennzeichnung, die für die meisten Konsumenten jedoch völlig unverständlich bleibt. Zahlen wie „FAO 34“ oder „FAO 87“ sagen dem durchschnittlichen Käufer nichts, obwohl sie präzise Auskunft über die Herkunft geben würden.

Diese Verschleierungstaktik ist besonders problematisch, weil verschiedene Fanggebiete unterschiedliche Qualitätsstandards und Umweltbedingungen aufweisen. Sardinen aus überfischten Gebieten oder Regionen mit fragwürdigen Fangmethoden landen so unerkannt in deutschen Supermarktregalen.

Die Bedeutung der FAO-Codes entschlüsseln

Um diese Informationslücke zu schließen, sollten Verbraucher die wichtigsten FAO-Kennziffern kennen:

  • FAO 27: Nordostatlantik (oft hochwertige europäische Fanggebiete)
  • FAO 34: Östlicher Zentralatlantik (afrikanische Westküste)
  • FAO 37: Mittelmeer (variable Qualität je nach Subgebiet)
  • FAO 87: Südostpazifik (oft Massenfang vor Südamerika)

Wenn „traditionell“ und „mediterran“ in die Irre führen

Besonders raffiniert wird es bei der Verwendung von Begriffen wie „mediterrane Art“ oder „nach traditioneller Rezeptur“. Diese Formulierungen erwecken den Eindruck einer regionalen Herkunft, ohne jedoch rechtlich bindende Aussagen über das tatsächliche Fanggebiet zu treffen. Marketing-Begriffe ersetzen hier bewusst konkrete Herkunftsangaben.

Die Realität sieht oft anders aus: Sardinen, die als „mediterrane Spezialität“ beworben werden, stammen häufig aus industriellen Fangflotten vor der westafrikanischen oder südamerikanischen Küste. Die Verarbeitung „nach mediterraner Art“ bezieht sich dann lediglich auf die verwendeten Gewürze oder das Öl.

Warum die Herkunft bei Sardinen entscheidend ist

Die Verschleierung der Herkunft ist nicht nur ein ärgerlicher Etikettenschwindel – sie hat konkrete Auswirkungen auf Qualität, Nachhaltigkeit und Geschmack des Produkts. Sardinen aus verschiedenen Fanggebieten unterscheiden sich erheblich in ihrer Zusammensetzung und ihrem Nährstoffgehalt.

Fische aus nährstoffreichen, kalten Gewässern weisen oft einen höheren Omega-3-Fettsäure-Gehalt auf als ihre Artgenossen aus wärmeren Regionen. Gleichzeitig spielen die Fangmethoden und die Frische der Verarbeitung eine entscheidende Rolle für die Produktqualität.

Umweltaspekte der verschleierten Herkunft

Noch schwerwiegender sind die ökologischen Konsequenzen: Wer nicht weiß, woher seine Sardinen stammen, kann auch keine bewusste Kaufentscheidung bezüglich nachhaltiger Fischerei treffen. Manche Fanggebiete sind stark überfischt, während andere noch relativ gesunde Bestände aufweisen.

Die fehlende Transparenz macht es unmöglich, Produkte aus verantwortungsvoller Fischerei zu bevorzugen und trägt somit indirekt zur weiteren Ausbeutung der Meere bei.

Strategien für durchblickende Verbraucher

Trotz der Verschleierungstaktiken können sich informierte Verbraucher vor irreführenden Angaben schützen. Der Schlüssel liegt in der systematischen Analyse aller verfügbaren Informationen auf der Verpackung.

Zunächst sollten die FAO-Angaben gesucht und deren Bedeutung recherchiert werden. Online-Datenbanken und Verbraucherzentralen bieten hierzu detaillierte Informationen. Zusätzlich lohnt ein Blick auf eventuelle Nachhaltigkeitssiegel, die zumindest grundlegende Standards bei Fang und Verarbeitung garantieren.

Preisanalyse als Qualitätsindikator

Ein weiterer wichtiger Hinweis versteckt sich im Preis-Leistungs-Verhältnis. Sardinendosen zu Dumpingpreisen stammen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus industriellen Großfanggebieten mit entsprechend zweifelhaften Standards. Hochwertige Produkte aus nachhaltiger Fischerei haben dagegen ihren Preis – dieser spiegelt oft auch die transparentere Kennzeichnung wider.

Verbraucher sollten skeptisch werden, wenn premium wirkende Verpackungen mit auffällig niedrigen Preisen kombiniert werden. Hier wird häufig über das Design eine Qualität suggeriert, die das Produkt nicht halten kann.

Was sich ändern muss: Forderungen an die Politik

Die derzeitige Rechtslage ermöglicht die beschriebenen Verschleierungstaktiken, weil die Kennzeichnungspflichten zu vage formuliert sind. Eine Reform müsste vorsehen, dass Herkunftsangaben in verständlicher Form und prominenter Platzierung erfolgen müssen.

Statt kryptischer FAO-Codes sollten Klartext-Angaben wie „gefangen vor der Küste Marokkos“ oder „Fanggebiet: Südostpazifik vor Chile“ verpflichtend werden. Nur so können Verbraucher wirklich informierte Entscheidungen treffen und Marktmechanismen für mehr Transparenz sorgen.

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